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Sorgen und Ängste von Kindern

In der Corona-Pandemie haben Sorgen und Ängste bei Kindern und Jugendlichen oft noch einmal zugenommen. Lesen Sie im Folgenden das Interview mit Sabine Meuter.

WDR: Frau Dr. Krassilschikov, welche psychische Auffälligkeiten gibt es durch die Kontaktbeschränkungen in der Corona-Pandemie bei Kindern und Jugendlichen?

Krassilschikov: In meiner Praxis erlebe ich aktuell zunehmend Fälle, bei denen Kinder und Jugendliche unter Essstörungen leiden. Die Betroffenen sind durch den Digitalunterricht oft auf sich gestellt, sitzen allein an einem Tisch und haben jetzt deutlich mehr Zeit, sich in sozialen Netzwerken umzusehen. Dort stoßen sie auf Fotos von scheinbar schönen, mega-schlanken Menschen und wollen diesem vermeintlichen Ideal nacheifern. Daneben erlebe ich, dass mich immer mehr Eltern anrufen und um Rat fragen, weil sie mit ihrem für gewöhnlich ausgeglichenen und ruhigen Kind, das auf einmal schwerste Wutausbrüche bekommt, nicht mehr klarkommen.

WDR: Sind das Einzelfälle oder gibt es weitere Beispiele?

Krassilschikov: Ich erlebe, wie einst selbstbewusste und erfolgreiche Abiturienten, die als Stufensprecher fungierten oder tolle sportliche Leistungen zeigten, plötzlich völlig unsicher sind. Es ist, als wenn ihnen der Boden unter den Füßen weggerissen wurde. Die jungen Leute haben plötzlich immense Zukunftsängste, sie wissen einfach nicht, wie es weitergeht. Auch kommen in meine Praxis immer mehr Erstsemestler, die nicht damit zurechtkommen, statt in einer Gemeinschaft an der Uni nun völlig auf sich gestellt zu sein, und massive Ängste entwickeln.

WDR: Was können Eltern tun, damit ihr Nachwuchs gestärkt aus der krisenhaften Situation hervorgeht?

Krassilschikov: Ganz wichtig ist, dass Eltern für eine Tagesstruktur sorgen: Essen, Lernen, Freizeit. Dadurch geben Eltern ihrem Kind Halt. Eltern sollten zudem ihrem Nachwuchs mit Liebe und Wertschätzung begegnen und ihm genau erklären, warum das Leben gerade so eingeschränkt läuft. Gut ist, wenn Mütter und Väter möglichst viel gemeinsam mit ihrem Kind machen, gemeinsam spielen etwa. Die Botschaft dabei: Wir machen das Beste aus dieser Situation.

Das Interview und weitere Infos zum Thema finden Sie auch auf:
https://www1.wdr.de/nachrichten/fast-jedes-kind-psychisch-auffaelling-krassilschikov102.html

Umgang mit Nachrichten

Fünf Kinder, die tot in einer Wohnung in Solingen aufgefunden wurden. Noch ist vieles unklar – doch klar ist: Das Schicksal der Geschwister lässt niemanden kalt. Es löst Trauer, Entsetzen und Unverständnis aus. Auch bei Kindern, die die grausige Tat im Radio, im Fernsehen oder Online mitbekommen haben. Wie können Eltern darauf reagieren? Und welcher Mensch ist eigentlich zu solch einer Tat überhaupt in der Lage?

„So offen wie möglich“

„Vorsichtig darüber mit den Kindern ins Gespräch kommen“, rät Gregor Hergarten, Diakon und Notfall-Seelsorger im Erzbistum Köln. „Mein Ansatz ist immer: Mit den Kindern so offen wie möglich darüber zu sprechen, nicht zu versuchen, zu beschönigen oder abzutun, sondern wirklich die Fragen der Kinder, die ja dringende Fragen sind, aufzugreifen.“

Wichtig sei es auch, die Kinder in der Folgezeit gut zu beobachten, was sie möglicherweise anders tun als vorher, sagte Hergarten dem WDR. Kindern solle die Möglichkeit gegeben werden, etwas Gutes für sich zu tun. Kleinkinder könnten beispielsweise etwas malen.

Was Eltern in keinem Fall tun sollten

Die Düsseldorfer Kinderpsychologin Dr. Viktoria Krassilschikov rät Eltern ebenfalls, sich Zeit zu nehmen und auf die konkreten Fragen ihrer Kinder einzugehen. Dabei sei es durchaus angebracht, das eigene Unverständnis zu äußern. Zu sagen, dass man auch als Mutter oder Vater das Geschehen nicht nachvollziehen könne.

Was Eltern auf keinen Fall tun sollten: „Von sich aus auf das Geschehen in Solingen zu sprechen kommen“, sagt Krassilschikov dem WDR. Wenn das eigene Kind nicht selbst das Thema anschneidet, sollten es Mütter und Väter ebenfalls nicht tun – um nicht unnötig die Aufmerksamkeit des Kindes auf ein Ereignis zu lenken, das es womöglich zu stark psychisch belastet.

Was sind die Täter für Menschen?

Unweigerlich kommt einem der Gedanke, dass Menschen, die zu so einer Tat in der Lage sind, hart und gefühlskalt sind. Doch das muss nicht zwangsläufig so sein sagt die Psychologin Prof. Ulrike Zähringer von der Hamburger Polizeihochschule: „Oft haben solche Menschen ein fast symbiotisches Verhältnis zu ihren Kindern. Sie machen das aus Mitgefühl, weil sie glauben, dass es vermeintlich das Beste für die Kinder ist. Eine solche Täterin hat den Eindruck, sie tue den Kindern damit einen Gefallen. Es wäre schlechter, sie in dieser Welt zurückzulassen“, erläutert die Pysychologin im Gespräch mit WDR 2.

Den Pressetext und weitere Infos zum Thema finden Sie auch auf:
https://www1.wdr.de/nachrichten/tote-kinder-gefunden-kinderpsychologin-100.html

Wenn Sie Fragen haben, nehmen Sie gerne Kontakt auf.

Interview in der Rheinischen Post vom 30.01.2013

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